Samstag, 6. März 2010

Alles ist Mathematik

Ich war am Telefon, als ich sah, wie eine Franse der überzogenen Schutzdecke schwingend ganz langsam runter fiel. Bei allen Schönhei-ten, die ich bisher gesehen habe, war es anders, eine wohltuende glänzende Franse, dachte ich umgehend, die mir aufzeigte, wie Tan-genten und Winkel von dieser Bewegung aufgebrochen werden.
Auf hysterische Weise habe ich in die Vergangenheit zurückgeblickt und es fiel mir eine Erinnerung ein, deren Grundlage aus dem Brunnen meiner Erfahrungen herausgerutscht ist.

Als ich in der Schule war, nach einer überzogenen Pause, in der ich mit anderen, der Literatur überführten, Genossen über Valdelomar gesprochen habe, sind wir zum Klassenraum zurückgegangen, ohne uns vorher um eine Ausrede zu kümmern. Falls der Lehrer uns wegen unseres unartigen Benehmens zur Rede stellen würde, könnten wir ihm immer sagen, dass wir für die bevorstehende Literatur-Prüfung geackert haben. Wir dachten nämlich, dass dies uns schützen würde und wir so gefahrlos die Situation überwinden könnten. Wir haben uns geirrt.

- „Entschuldigung“ – sagte einer von uns – „wir ersuchen ihre Er-laubnis um eintreten zu können.“
- „Wo wart ihr denn?“ – antwortete der Mathematiklehrer – „der Unterricht hat vor einer halben Stunde angefangen, ihr seid zu spät dran, es tut mir Leid, aber ich muss euch darum bitten, den Klassenraum zu verlassen.“

Wir wurden durch die Worte sehr betroffen, das hatten wir überhaupt nicht erwartet. Dann, mit voller Verwegenheit für die damalige Zeit, habe ich es gewagt folgendermaßen zu sprechen.

- „Entschuldigung, dass ich darauf bestehe, aber wir haben die Erzählung „ Herr Carmelo“ von Valdelomar durchgesprochen, die das Hauptthema für die Literaturprüfung ist, die nächste Woche stattfinden wird. Also, wir sind der Meinung, dass wir etwas Nützliches gemacht haben.“

Und, weil nichts ohne Streit abgeht, hat der Lehrer erstmal die Arme in die Hüften gestemmt, als Vorbereitung uns anzupflaumen.

- „In der Tat, ich war im Begriff euch herein kommen zu lassen, aber jetzt muss ich euch etwas ganz wichtiges sagen. Ihr lebt in Peru, einem armen Land, in dem alle Leute ihr ganzes Leben verträumen und gar nichts tun, um es rückgängig zu machen. Also, Literatur? – sagte er mit steigendem Ton – dieses Land braucht Mathematiker, Physiker, Ingenieure, nicht schmierige Schmarotzer, die vor den großen Chefs und Politikern katzbu-ckeln. Alles, junger Mann, ist Mathematik.“

Damals habe ich das nicht verstanden, weil ich zu dieser Zeit einfach so besessen von Literatur war. Seitdem ist viel Zeit vorbeigegangen und ich bin seit langem nicht mehr in der Schule. Heutzutage, nachdem ich den ulkigen Ruhm genossen habe, die Armut umschlungen habe und in jeder Schicht, wo ich gewesen war, ein durchsichtiges Dasein meiner Seele wie Gebeine hinterlassen habe, kann ich mit Überzeugung und mit betrübter Traurigkeit sagen, dass alles, eigentlich, Mathematik ist.

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